[plan · e]: planet erde – Elses Pappschachtel

Schon Else Lasker-Schüler klagt, dass wir das „von Gott anvertraute Abendland nicht liebevoll genug gepflegt“ haben und die Welt nur als „kühle Formel“ verstehen. In Zeiten des Klimawandels und des Artensterbens mutet uns folgender Text von ihr visionär an:

„So haben wir es also mit der Natur verdorben, mit der weißen und mit der grünen, mit dem grünmunteren Laubvolk, das uns den Ozon und den Atem des Lebens kredenzte. Auch die Unberechenbarkeit von Allzuheiß bis zum Allzukalt ist die Folge der aus den Fugen geratenen Pflanzenwelt. Sie wurde tödlich getroffen und verwirrt. Denn die Natur ist nicht des Menschen Schemel, den er rücken oder gar durchsägen kann nach Belieben und zerstören und zertreten‘ gleichzeitig.“

Als die Bäume mich wiedersahen [Bd.4.1, S. 291]

Prägend für ihre Kindheit in Elberfeld und ihre Naturliebe war der Grüne Hügel die Sadowastraße hoch und der Garten hinter ihrem Elternhaus. In dem Text „Unser Gärtchen“ von 1925 schreibt sie:

Als mein Vater noch die Wege mit glitzerndem Kies schmücken ließ, dessen Kristall wir beide von der Laube aus bewunderten, da wurde ich mir des kleinen Gartens noch gar nicht recht bewußt. Eigentlich war es ja ein lebendiger Spielladen mit grünerlei Bäumen und blühendbehangenen Sträuchern, die die vielen bunten Blumen, die Primeln, die Vergißmeinnicht, samtnen Stiefmütterchen und Astern und Georginen beschatteten. Heute möchte ich nur den ganzen kleinen Garten in ein Glas auf meinen Tisch stellen.

Als Ernst Toller 1925 zu einer Lesung nach Elberfeld war und Else Lasker-Schüler davon erfuhr, beschwor sie von Berlin aus einen Freund, Toller in das Gärtchen zu führen. Anlässlich seinen Freitods erinnert sie sich:

Er (Ernst Toller) liebte Waelder und Gaerten; oft reiste er in die Staedte seiner Freunde, um das Gruen ihrer Heimat zu besuchen. So kam er auch in meine Heimat und sandte mir den Garten meines teuren Elternhauses in Miniatur in einer weissen Pappschachtel. Drinnen lauter crystallene Kieselsteinchen der lieben Pfade. Zackige Kastanienblaetter deckten sie zu, und auf den Kastanienblaettern lagen von unserem Kastanienbaum einige von den glaenzenden Kastanien, aber auch noch nicht entschaelte „gruene Igel“, mit denen ich und meine Schulkameradinnen Gemuesemarkt zu spielen pflegten. Und auch einen winzigen Akazienzweig und eine Jasminbluete meines Lieblingsbuschs vergass der Ernest nicht beizulegen. Vor allen Dingen – eine schon ergraute Indianerfeder meines Indianerhuts, holte er doch hinter der Laube mit Muehen ans Tageslicht tief aus der Erde hervor; und erhob somit den Garten der Praesentschachtel in den Indianerstand!
Ich war damals so entzueckt … ich konnte doch wieder in unserem Garten Spazierengehen, ja mich ab und zu in ihm herumtummeln!

Ernst Toller [Bd.4.1, S. 305]